von Dirk Baranek | 19.06.2019
Das Konzept der Smart City bedeutet unter anderem ein eng vernetztes System der Energieerzeugung und -nutzung. Städte müssen sich in diese Richtung bewegen, um ihre CO2-Bilanz positiv zu beeinflussen. Denn bisher sind Städte vor allem Ort des Energieverbrauchs. Das wird sich ändern.
Es ist wirtschaftlich sinnvoll, wenn die Erzeugung von Energie und deren Nutzung in einem lokalen Zusammenhang stehen. Wenn Strom dort erzeugt wird, wo die Menschen leben, spart das enorme Ressourcen. Vor allem wird das Leitungssystem entlastet und der Netzausbau mit umstrittenen Stromtrassen ist überflüssig. Deswegen ist es richtig, wenn die Städte darüber nachdenken, wie sie auf ihrer Fläche nutzbare Energie erzeugen können.
Da sich Windkraftanlagen in der Nähe von Siedlungen verbieten und Wasserkraft nur begrenzt zur Verfügung steht, konzentrieren sich die Anstrengungen auf zwei Technologien: Photovoltaik und Kraft-Wärme-Kopplung. Die Smart City erzeugt den Strom, den sie verbraucht, vor Ort. Millionenstädte organisieren Millionen Stromerzeuger, die mit großen und kleinen Anlagen die Stadt mit Elektrizität versorgen. Stromspeicher mit optimierten Lade- und Entladestrategien und intelligente solare Monitoringsysteme sind fundamentaler Teil des Systems, damit diese Smart City funktioniert.
Die Städte der nördlichen Hemisphäre haben gegenüber denen im Süden einen Nachteil bei der Energieversorgung: Sie müssen Energie für Heizwärme einsetzen. Sicher, dafür laufen im Süden viele Klimaanlagen, aber für die Erwärmung von Gebäuden benötigt man wesentlich größere Energiemengen. Diese Kapazitäten werden auch in den nächsten Jahrzehnten zum Großteil von fossilen Energieträgern geliefert. Umso wichtiger ist daher, deren effiziente Nutzung. Das ist der Kern der Kraft-Wärme-Kopplung: Wenn Heizenergie benötigt wird, erzeugen die Systeme gleichzeitig Wärme sowie Strom und erreichen damit Wirkungsgrade von fast 100 %.
Blockheizkraftwerke und Brennstoffzellenheizungen verbrauchen Erd- oder Biogas und erzeugen, wenn sie Wasser erwärmen, mit der Prozesswärme Strom. Diese Heizungen sind im Herbst und Winter eine willkommene Stromquelle. Sie produzieren nahezu ohne Pause und damit ist dieser Strom grundlastfähig. Hunderttausende kleine, hocheffiziente Kraftwerke mit einem Wirkungsgrad von 95 % statt einiger weniger Großkraftwerke vor den Toren der Stadt mit einem Wirkungsgrad von maximal 45 % – das sind die Alternativen.
Die Smart City ist also bestrebt, Heizsysteme zu fördern, die Wärme und Strom erzeugen. Zumindest so lange, bis die Nutzung fossiler Energieträger vollständig eingestellt wird.
Die Erzeugung von Strom aus Photovoltaik befindet sich inzwischen auf einem sehr guten Kosten-Nutzen-Niveau. So gut, dass diese Anlagen selbst in klimatisch eher ungünstigen Umständen wirtschaftlich sinnvoll betrieben werden – von der klimapolitischen Notwendigkeit der Nutzung einmal ganz abgesehen.
Die Herausforderung beim Aufbau solarer Erzeugungskapazitäten liegt für die Städte im Platz, den diese erfordern. Photovoltaik benötigt Fläche. Das schreckt manchen Zeitgenossen, der sich nicht an die öffentliche Sichtbarkeit stromerzeugender Anlagen gewöhnen kann, ab. Zur Beruhigung kann man feststellen: Es wird nicht so viel Platz benötigt, wie vielleicht befürchtet wird.
Hier ein paar Zahlen zur Orientierung:
Fazit: Ja, Photovoltaik benötigt Fläche, aber sicher nicht in einem Umfang, den Städte nicht bewältigen könnten. Es kommt eher darauf an, Flächen in den Städten zu aktivieren, die wirtschaftlich sinnvoll sind und auf denen sich Photovoltaik städtebaulich organisch in den Stadtraum einpasst.
Photovoltaik-Module werden in einer Smart City auf jedem Dach anzutreffen sein, wenn es sinnvoll ist, dort Strom zu erzeugen: Private Häuser, Gebäude für Industrie und Gewerbe, öffentliche Gebäude wie Schulen, Sporthallen und Verwaltungseinrichtungen, Betriebshöfe usw. Die intelligente Stadt ist bestrebt, das Potenzial komplett zu nutzen, das sich für die Stromerzeugung anbietet.
Und die Smart City wird erfinderisch im Aufspüren der Potenziale sein. Es wird PV auf Haltestellen geben, auf neu überdachten Verkehrsflächen, wie Parkplätzen oder den obersten Stockwerken von Parkhäusern.
Neue technische Möglichkeiten, die zum Beispiel Photovoltaik direkt in die Dachziegel verbauen, werden dazu führen, dass bald auf jedem Dach in der Stadt und an vielen Stellen im öffentlichen Raum Strom erzeugt wird.
Hochhäuser werden mit ihren Glasfronten Strom erzeugen. Es gibt verschiedene technische Ansätze, um mit Hochhausverkleidungen Strom zu erzeugen. Semitransparente Solarzellen im Fensterglas zum Beispiel verwenden nur einen Teil des Lichtspektrums zur Energiegewinnung und geben den anderen in Form von abgedunkeltem oder farbigem Licht weiter.
Alle diese Ansätze haben einen Nachteil: Die Leistung dieser Glasmodule ist bei weitem nicht so hoch, wie bei normalen PV-Modulen. Die Spezialgläser erzeugen kaum mehr als 10 %. Allerdings sind die vertikalen Flächen von Hochhäusern um ein Vielfaches größer als die bebauten horizontalen Dachflächen.
Ein weiteres Aktionsfeld für PV sind Geländer, die sich in Städten ja nicht nur an den Hausbalkonen befinden. Brücken, Terrassenbrüstungen usw.: Die Anbieter sind erfinderisch und entwickeln absolut unfallsichere Elemente, die Strom erzeugen.
Die Konsequenz aus diesen vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Photovoltaik: Es werden sehr, sehr viele kleine und kleinste Anlagen Strom erzeugen und einspeisen. Wenn die Sonne stark scheint, wird viel Strom produziert, wenn die Sonne nicht oder wenig scheint, dementsprechend weniger. Die solare Stadt ist also bei der Erzeugung von Elektrizität stark vom Wetter abhängig.
Die Nutzung des erzeugten Solarstroms hingegen ist es nicht, die findet immer statt, egal wie das Wetter ist. Um diese Lücke, also den zeitlichen Unterschied zwischen der Erzeugung und der Nutzung von Strom, zu schließen, kommen Speichersysteme zum Einsatz.
Die Sonne scheint nicht immer. Photovoltaik-Module erzeugen zwar auch bei bewölktem Himmel Strom, aber nachts tragen sie definitiv nichts zur Energieversorgung bei. Um den Verbrauch in diesen Zeiten sicherzustellen, wird die Smart City über viele Stromspeicher verfügen. Ob das alles Lithium-Ionen-Akkus sein werden, die jetzt schon zu zehntausenden jedes Jahr in Betrieb genommen werden, ist offen. Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten weltweit an Konzepten, um die Speicherproblematik möglichst ressourcenschonend und ökonomisch sinnvoll einer Lösung näher zubringen: erhitztes Salz, Herstellung von Wasserstoff (Power-to-Gas), Lageenergiespeicher, Druckluftspeicher und vieles andere mehr.
Welche Systeme sinnvoll in den städtischen Raum integriert werden können, wird die Zukunft zeigen. Dass allerdings in jedem Gebäudekeller Akkus stehen werden, ist zumindest für die nahe Zukunft ein realistisches Szenario.
Städte verwenden einen erheblichen Teil ihrer Ressourcen auf den Mobilitätsbedarf ihrer Bewohner. Die Smart City von morgen wird dazu über einen starken elektrifizierten öffentlichen Nahverkehr verfügen. Der Individualverkehr mit privaten Pkws wird weiter zurückgedrängt.
Allerdings bietet der Besitz privater E-Autos auch Chancen. Denn die Elektroautos der nächsten Generation, und nur die haben sowieso eine Zukunft in den Städten, werden zwei Funktionen erfüllen: Sie erzeugen Strom und sie speichern Strom. Die Oberfläche eines Pkw ist zwar begrenzt, jedoch groß genug, um auf Dach und Seiten PV-Module zu verbauen. Diese sind selbstverständlich verkehrssicher. Interessanter für das energetische Ökosystem einer Stadt sind jedoch die Akkus, die in Elektroautos die Energie für den Antrieb speichern. Die bevorzugt dann geladen werden, wenn die Sonne vom Himmel knallt.
Die Akkus könnten aber auch, den von den Autos nicht benötigten Strom abgeben, wenn er dringend im Stromnetz gebraucht wird. Diese zwei Szenarien lassen sich mit Elektroautos verwirklichen, wenn die Nutzer sich entsprechend verhalten.
Das gelingt, wenn an die Schwankungen des Energiemarktes angepasstes Verhalten belohnt wird. Wenn die Sonne vom Himmel knallt, gibt es Strom im Überfluss. Der Strompreis sinkt. Eine gute Motivation für E-Autofahrer, ihr Fahrzeug jetzt zum Laden anzuschließen. Wenn der Strompreis steigt, weil es dunkel ist und die Anlagen zu wenig produzieren, entsteht ein finanzieller Anreiz, Strom, der gerade nicht benötigt wird, dem Netz zur Verfügung zu stellen. Elektroautos sind im Prinzip motorisierte Akkus, die das Energiesystem der Smart City stabilisieren.
Wie bei den elektrischen Pkw ist es wünschenswert, wenn die Stadtbewohner ihre Energienutzung an die Situation des Energiesystems anpassen. Das Prinzip ist klar: Dann Strom beziehen, wenn es viel Strom gibt, und umgekehrt.
Zum Beispiel eben mittags die Waschmaschine laufen lassen, wenn sich die Sonne auf dem Höchststand befindet und der viele Strom im System die Preise purzeln lässt. Strom mitten in der Nacht zu beziehen, wird dagegen teurer werden. Die kostspieligen Akkusysteme, aus denen nachts der Strom geliefert wird, müssen refinanziert werden.
So sorgen finanzielle Anreizsysteme, die digital abgewickelt werden und in Echtzeit am tagesaktuellen Strommarkt operieren, für angepasstes Verhalten.
Die Smart City verfügt über ein transparentes und digital gesteuertes Energiesystem. Um alle Erzeuger, alle Verbraucher, alle Speicherkapazitäten und den Einfluss des Wetters in ein sinnvolles, aufeinander abgestimmtes System zu formen, bedarf es umfangreicher IT. Die Überwachung und Steuerung von Solaranlagen spielt dabei eine herausragende Rolle.
Echtzeitdaten werden mit historischen Datenreihen verglichen, um sichere Prognosen zu entwickeln. Daraus leiten die Energieversorger zukünftig Marktsignale ab, um das Verhalten der Nutzer zu beeinflussen.
Ohne IT wird die Smart City nicht funktionieren, denn der Strommarkt, der bisher mit dem ewig gültigen Tarifen eher statisch ist, wird nun ein wesentlich dynamischerer Marktorganismus an dem fast jeder Bewohner der Stadt teilnimmt. IT ist dafür fundamental. Marktdaten sind dafür die Basis.